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Für starre Bürostrukturen wird es in der Arbeitswelt von morgen keine Platz mehr geben.

Ein Interview mit dem Architekten Thomas Heinle, Gesellschafter der Heinle, Wischer und Partner, Freie Architekten GbR

Wie beurteilen Sie als Architekt den Wandlungsprozess in den Bürowelten der Unternehmen? 
In fast drei Viertel der deutschen Büros wird immer noch hinter verschlossener Tür gearbeitet. Dabei sind diese starren Bürostrukturen in einer zunehmend mobilen und datengetriebenen Welt nicht mehr effizient. Es fehlt der kommunikative Austausch, weshalb diese Strukturen maßgeblich zulasten der Produktivität, aber auch der Kreativität gehen. Und gerade die wird in der Arbeitswelt von morgen immer mehr in den Vordergrund rücken, während monotone, repetitive Arbeitsabläufe besser von Robotik und künstlicher Intelligenz übernommen werden.

Welche Anforderungen an den Arbeitsplatz von morgen sind für Sie heute schon absehbar?
Klar ist, dass es für starre Bürostrukturen in der Arbeitswelt von morgen keinen Platz mehr geben wird. Vorangetrieben wird der Wandel zum einen von den jungen Generationen, die es gewohnt sind, kollaborativer und beweglicher zu arbeiten, und die diesen Anspruch auch heute schon geltend machen. Die neuen Arbeitsplatz-Modelle verwenden deshalb ganz bewusst flexiblere Strukturen. Freiheit bei der Arbeitsplatz-Wahl und die Möglichkeit, sich als Team schnell und unproblematisch zu finden und kurz darauf wieder aufzulösen, schaffen neue Realitäten, die den Büroalltag und seine Infrastruktur verändern werden. Das neue „Flex Lab“-Forschungszentrum von L’Oréal in Paris hat diese Welt kürzlich vorgestellt. Alle Möbel sind hier auf Rollen beweglich, damit sich Teams in Sekundenschnelle finden und neu erfinden können.

Worin sehen Sie die Kernanforderungen an den Arbeitsplatz von morgen aus Sicht Ihrer Unternehmenskunden?
Alle Welt redet vom „Ringen um die Talente“. Wer morgen als Unternehmen erfolgreich sein will, muss sich heute die klügsten Köpfe sichern. Das geschieht nicht immer nur über das Gehalt, denn die Atmosphäre am Arbeitsplatz spielt eine immer größere Rolle bei der Entscheidung für den Arbeitsplatz beziehungsweise Arbeitgeber. Die Berufseinsteiger von heute fordern neben einem tieferen Sinn bei den Aufgaben insbesondere auch weniger Hierarchien und mehr Flexibilität im Arbeitsalltag. Vor allem die Flexibilität wird die Bürowelten von morgen prägen und dafür sorgen, dass sie beweglicher werden. Dafür wird auch das Streben nach Produktivität seinen Anteil beisteuern, denn in beweglicheren Strukturen liegt mehr Potenzial für Optimierung. 

Über welchen Zeitrahmen reden wir bei dem Arbeitsplatz von morgen?
Diese Frage ist nicht ganz einfach mit einer Zahl zu beantworten. Im Grunde hat der Umbau längst begonnen und die Unternehmen der IT-Branche, aber auch Industrie- und Dienstleistungsunternehmen haben oder sind auf dem Weg, ihre Büros flexibler und beweglicher zu gestalten. In Anbetracht der immer noch weitverbreiteten Strukturen ist dieser Prozess ein sehr tiefgreifender, aber meines Erachtens unumgänglicher, wenn Deutschland international mithalten möchte. Insofern bin ich davon überzeugt, dass wir in zehn Jahren komplett anders arbeiten werden, als dies heute der Fall ist.